Motivationsschreiben audi muster

Er antwortete nicht. Swan fragte sich, ob das seine normale Reaktion auf Kunst war. Er schlenderte zum nächsten Gemälde weiter. Möglicherweise brabbelte er bloß vor sich hin. Ihre Meinung zu diesen Gemälden interessierte ihn überhaupt nicht, obwohl er wusste, dass sie Künstlerin war. Sie ging ohne ihn weiter und betrachtete die Porträts. Die Massenszenen waren zu viel für sie, sie kamen ihr vor wie epische Filme, die man in eine einzige Einstellung gezwängt hatte. Die Leute auf den Porträts hingegen schauten sie mit Gesichtern an, deren Ausdruck sie sofort wiedererkannte. Ich bin immer ich selbst, ich bin immer neu, ich bin immer ich selbst – seit acht Jahrhunderten sagten sie das schon. Einfach nur Frauen und Männer. Die linke Brustwarze einer Frau lag entblößt direkt unterhalb der Krümmung einer Halskette. Swan meinte sich zu erinnern, dass so etwas in den meisten historischen Zeiten als ungehörig betrachtet worden wäre. Fast alle Frauen hatten sehr kleine Brüsteund breite Hüften. Wohlgenährt und schlecht trainiert; stillten ihre Kinder nicht selbst; nicht die Körper von Frauen, die arbeiteten, sondern von Edeldamen. Beginnende Ausdifferenzierung. Tintorettos Leda wirkte durchaus hingerissen von dem Schwan, der sie schändete, tatsächlich versuchte siesogar, ihn vor einem Eindringling zu beschützten. Swan war selbst das eine oder andere Mal der Schwan für eine Leda gewesen, natürlich ohne dabei Gewalt anzuwenden – zumindest keine körperliche Gewalt –, und sie erinnerte sich, dass das einigen Ledas gut gefallen hat. Anderen nicht so sehr. Finde die Krieger und Jäger. Jeder soll sich einen Wolf, eine Waffe und jemanden aus dem Dorf nehmen, der mit ihm reiten kann. Du wirst sie anführen. Zieht nach Norden, sucht diese Zuflucht, von der Draka uns erzählte. Du hast die Karte gesehen. Denkst du, du findest den Ort? Und dann tauchten sie ab, dem riesigen Planeten entgegen, bis er seine Kugelgestalt zu verlieren schien und ein atemberaubendes Pastell-Kobaltblau annahm– als wäre er der blaue Boden des Universums, mit der nur leicht gekrümmten Schwärze des Alls darüber. Es sah fast ein wenig aus wie zwei Ebenen, die nur ein winziges Stück auseinanderlagen, blau und schwarz, und sich am Horizont trafen wie zwei Flächen in der elliptischen Geometrie. Er sah ihr an, dass sieüberrascht war. Erneut schluckte Wahram und versuchte, unter ihrem scharfen Blick ganz neutral auszusehen. Als Swan später mit Wahram sprach, musste sie ihr Wissen um das, was sie mit Pauline getan hatte, ignorieren und so tun, als sei es überhaupt nicht geschehen. Diese Art, sich selbst etwas vorzuspielen, funktionierte bei ihr normalerweise recht gut; aber als Wahram mit ihr die Lage erörtern wollte, wobei erimmer wieder recht verwirrende Fragen auslotete, wie zum Beispiel die, was man sich unter einer neuen Art von Qube-Bewusstsein vorzustellen hatte, konnte sie sich dem Gedanken an das Geschehene nur schwer entziehen. Vielleicht war sie auch einfach nicht mehr so gut darin, sich selbst etwas vorzumachen. Eines Morgens gingen sie zu zweit mit einer zusätzlichen Ausrüstungstasche los, weil Swan so weit wollte, dass sie es am Abend nicht zurück zum Essenszelt schaffen würden. Die Karibus hatten sich an den Ufern des Thelon River versammelt, an einer Furt, die sie noch nicht kannten, und Swan wollte sie umrunden und sich ihnen von Norden annähern, um die Tiere zu beobachten und sie davon abzuhalten, auf der Suche nach einem besseren Übergang durch die seichten Gewässer des Westufers nordwärts zu ziehen; sie waren bereits an der besten Stelle, die laut Aussage von Archäologen auch früher von Karibus benutzt worden war. Es stellte sich heraus, dass Swan ganz genau wusste, wie man die Verbindung herstellte, und nachdem es ihr gelungen war, lachte sie und küsste ihn erneut. Ihnen wurde ziemlich schnell warm. Dann blinzelte die Sonneüber den Horizont, und einmal mehr spürte er, wie sein Herz pochte. Zuerst leckten orangefarbene Flammenzungen über den Himmel und verschwanden wieder. Die Korona war sehr viel heißer als die eigentliche Sonnenoberfläche, erinnerte er sich. Ausbrüche magnetischer Felder, durch die die charakteristischen Feuerbögen emporstiegen, sich majestätisch über den Horizont erhoben und dort einen Moment lang verharrten, ehe sie sich in die eine oder andere Richtung entluden. Es war das schiere Feuer der Sonne, das in unfassbaren Explosionen emporstieg, geleitet von den Magnetfeldern, die durch die Flammen wogten. Er rannte weiter, den Blick zu Boden gerichtet, aber als er das nächste Mal kurz aufblickte, war der Horizont orangefarben – es war die Sonne selbst, deren Orange von gelben Blasen und Bannern brodelte und zuckte. Um seine Augen zu schützen, musste sein Visier den Rest des Kosmos schwarz einfärben. Der Horizont war das Einzige, was sich deutlich erkennen ließ, eine Linie vor ihm, nicht besonders weit oben und nicht glatt, sondern von wabernden, verschwommenen Erhebungen und Senken durchzogen. Swan hob sich schwarz von dieser Kulisse ab, Urbild einer Läuferin. Das gleißende Licht ließ ihre Umrisse schmaler erscheinen. Der Boden unter seinen Füßen war nun ein undeutbares grau meliertes Muster, ein wildes Durcheinander von schmerzhaft hellem Weiß und Tiefschwarz, dessen weiße Anteile vor seinen Augen pulsierten und leuchteten. Er musste einfach darauf vertrauen, dass der Untergrund flach genug zum Laufen war, auch wenn es gar nicht danach aussah. Noch etwas später wurde der Boden weiß, mit schwarzen Sprenkeln, und sah glatt wie ein Bettlaken aus. Sie waren im vollen Tageslicht. Draka klammerte sich an ihm fest, bis er eine sichere Entfernung erreicht hatte, dann hob Durotan sie von Scharfzahns Rücken. Sie protestierte nicht, ließ sich wortlos an der Flanke des Wolfes herabgleiten und landete leichtfüßig auf dem Boden. Das Leben ihres Kindes war für sie wichtiger als ihr Stolz. Doch als ihr Gefährte seinen Wolf herumdrehte, um zurückzureiten und den anderen zu helfen, rief sie ihm nach: Kraft und Ehre! Zwei weitere Lager, zwei weitere Schneemobile, dann erreichte er ein Lager, das er sich auf der Karte eingeprägt hatte. Es war an einen Schienenstrang angeschlossen, auf dem er durch die Ut-Rupes- und die Vesta-Rupes-Klüfte bis nach Colette gelangen konnte. Als er im Lager ankam, sah er einen Zug im Bahnhof stehen, der lediglich aus einer Ladebucht und einem kleinen Gebäude bestand. Als er mit seinem Schneemobil heranfuhr, wurden gerade einige der Waggons im Licht großer Scheinwerfer von einem Nebengleis aus beladen. Da die Ladearbeiter sich direkt unter den Scheinwerfern befanden, konnten sie kaum etwas außerhalb des Lichtkegels sehen, sodass Kiran sich anschleichen konnte. Er wartete im Dunkeln, bis sie mit der Arbeit fertig waren, und warf dann einen Stein auf das Gebäude neben den Gleisen, und als die Arbeiter nachsehen gingen, was der Radau zu bedeuten hatte, sprang er in den Waggon und duckte sich hinter die Kisten im Innern. Wenig später schloss man die Tür hinter ihm, und er spürte, wie die Magnetschwebebahn geschmeidig anfuhr und den langen Weg nach Colette antrat, das weit oben auf dem Lakshmi-Planum mit seinem Unheil verkündenden Namen lag. Man sollte meinen, dass die terranischen Nationalstaaten nach all der Zeit aus Erfahrung klug geworden wären und sich miteinander ausgesöhnt hätten, sodass sie konsistente und aufeinander abgestimmte Beziehungen zu den Siedlungen auf anderen Planeten pflegen könnten und Schluss wäre mit all der Verwirrung und Uneinigkeit, die ihr gegenwärtiges Verhalten mit sich bringt. Aber nein. Bislang schaffen sie das einfach nicht. Vielleicht brauchen sie noch Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte. Niemand kann sagen, wie es mit der Erde weitergehen wird. Derweil haben sich die Beziehungen zu unserem ehemaligen Patron, dem Mars, wieder halbwegs normalisiert. Wie ihr alle wisst, haben die Arbeiten im Saturn-System überhaupt nur angefangen, weil die Marsianer so dringend Stickstoff benötigten, und so haben sie eine Menge für die Besiedelung hier geleistet. Der völlige Bruch mit dem Mars war seinerzeit zwar notwendig, aber er muss nicht ewig bestehen bleiben und sollte es auch nicht. Wir sind inzwischen stark genug, um mit dem Mars zu verhandeln, ohne uns dabei unterbuttern zu lassen. Tatsächlich wäre es sogar ein Zeichen von Stärke unsererseits, wenn wir erneut Beziehungen zum Mars aufnehmen. Ich schlage also vor, dass wir ihnen eine Wiederaufnahme der Stickstofflieferungen vom Titan anbieten, und zwar in fast so hohem Umfang wie früher, aber im Rahmen einer neuen Vereinbarung, die wir kontrollieren, also ein echtes, faires Handelsabkommen. Das würde beiden Planeten zugutekommen. Die Atmosphäre des Titan enthält nach wie vor etwa doppelt so viel Stickstoff, als uns lieb ist. Also sollten wir eine Menge festsetzen, die für den Tauschhandel freigegeben wird. Das könnte ein Dreieckshandel sein: Der Titan liefert Stickstoff an den Mars, der Mars lässt dem Merkur Wiederaufbau- und Entwicklungshilfe zukommen, und der Merkur liefert Schwermetalle und Seltene Erdelemente an den Saturn. Außerdem hilft er dabei, die Belieferung mit Licht von den Vulkanoiden sicherzustellen. Nokrar brummte und atmete durch, während er seinen Gegner musterte. Durotan nutzte die kleine Pause, um vorzuspringen, seinen Körper dabei so gedreht, dass seine rechte Schulter gegen Nokrars Brust prallte. Gleichzeitig zuckte seine linke Hand hoch, um nach dem langen Haar des anderen Orcs zu greifen und heftig daran zu ziehen. Nokrar heulte auf, als sein Kopf nach unten gezerrt wurde, und Durotan setzte seine Vorwärtsbewegung fort, sodass sein Körper über Nokrars Rücken rollte und sein Gegner mit gnadenloser Wucht auf den Boden geschmettert wurde. Nach der Zeremonie entzündete Geyah das Feuer, das den Leib ihres Partners verschlingen würde. Sie und ihr Sohn standen in stummer Mahnwache, während sich die Flammen über die Äste ausbreiteten, dann höher schlugen und sich als ein Wall aus Licht und Hitze gegen die Kälte und Dunkelheit der herannahenden abendlichen Schatten stellten. Durotan erinnerte sich an den Geist des Feuers mit seinen unzähligen Farbtönen, und er sah sie erneut vor seinem geistigen Auge, während er in die Flammen des Scheiterhaufens starrte. Im Laufe der Nacht kamen immer wieder Mitglieder des Klans herbei, um neues Holz ins Feuer zu legen, damit es heiß genug blieb, um Garads Körper zu Asche zu verbrennen. Als die Sonne ihr Antlitz zeigte, war es schließlich vorbei. Das Feuer hatte den toten Häuptling verschlungen, die Luft seine Asche verstreut. Später würde das Wasser sie zurück zur Erde bringen, und diese würde sie in den Boden aufnehmen. Das Leben hatte geendet, und doch ging es weiter. Stimmt, antwortete sie unsicher. Instinktiv riss Durotan seine Axt in die Höhe, gerade noch rechtzeitig, um einen vernichten Hieb abzublocken. Er beugte die Beine, sodass der Rotläufer von seinem eigenen Schwung weitergetragen wurde, dann wirbelte er herum und legte seine ganze Kraft in die Drehbewegung. Spalter wurde zu einer Verlängerung seiner mächtigen, muskelschweren Arme und hackte den Angreifer beinahe in zwei Hälften. Frisches Blut schoss aus der Wunde und strömte über die getrocknete Kruste alten Blutes, als der Rotläufer nach hinten taumelte. Der Hammer entglitt seinen schlaffen Händen, seine Augen verschleierten sich. Er war bereits tot, als er im Schnee landete. Wir sind froh, am Leben zu sein, sagte der, der sich den Arm hielt. Ich bin am Arm getroffen worden! Swan, die in ihren Anschnallgurten schwebte, schaute aus dem Fenster und war für den Moment sprachlos. Wahram freute sich über ihre Reaktion, und nicht nur, weil die plötzliche Stille angenehm war. Für ihn war der Saturn vom Pol aus gesehen immer wieder ein prachtvoller Anblick, das Schönste, was im Sonnensystem zu sehen war. In Gedanken war Swan noch immer voll und ganz mit dem beschäftigt, was geschehen war, während sie so unmittelbar dem All ausgesetzt gewesen waren, weshalb die Szenerie vor ihren Augen ihr wie ein Traum vorkam. Man trennte sie von Wahram und unterzog sie beide einer ärztlichen Untersuchung, dann kam die lange Erörterung des Unglücksfalls. Die Leute, die mit ihr redeten, waren aufgebracht; anscheinend blieb Swan nichts anderes übrig, als sich mit der Gegenwart zu befassen, wie substanzlos sie ihr auch erscheinen mochte.Über das, was vorgefallen war, und über ihre Gefühle dabei, konnte sie später nachgrübeln. Sie wollte nicht, dass es ihr entglitt wie alles andere auch. Einmal von einem Projekt gepackt, ließ Jean Genette praktisch nie wieder locker. Selbst Probleme, die offiziell als gelöst galten, suchten den Inspektor oft noch heim, weil etwas nicht ganz ins Bild passte, nicht zu stimmen schien – und wenn sich keine Lösung fand, wurde das Problem Teil eines Rosenkranzes ruheloser Nächte, einePerle auf einer Möbius-Kette, die man in schlaflosen Stunden müde betastete. So beschäftigte Genette beispielsweise noch immer der Fall Ernesta Travers – vor dreißig Jahren hatten sie sich alle mit der Frage geplagt,warum ihre Freundin vom Mars verschwunden war und wie sie das bewerkstelligt hatte; es war ein Fall, den Jean im Exil weiterverfolgen konnte und es von Zeit zu Zeit auch tat, doch Travers blieb trotzdem verschwunden, als hätte sie nie existiert. Das Gleiche galt für den Fall des GefängnisterrariumsNelson Mandela, eine geradezu klassische Kriminalgeschichte, mit einem perfekten verschlossenen Raum; eigentlich hätte es unmöglich sein sollen, die Mordwaffe in den Asteroiden zu bringen oder sie wieder zu entfernen. Rätsel wie diese gab es zuhauf im System; sie gehörten irgendwie mit zur Gefühlswelt der zerstreuten Siedlungen, aber nicht immer genügte die Balkanisierung als Erklärung. Und so blieb Genette weiter gebannt von der schieren Unmöglichkeit mancher Vorkommnisse – wie gelähmt, bis ins Mark verunsichert,hilflos. Manchmal wanderte der Inspektor stundenlang ziellos umher, auf der Suche nach einer Erklärung. Du meinst an der Invasion?..

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